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Neue Einblicke in die Bewegung einzelner Moleküle

Wie mit Methoden aus der Physik biologische Prozesse entschlüsselt werden können

Die Proteine in unseren Zellen sind aufgrund der thermischen Bewegung von Atomen und Molekülen ständig in Bewegung. Neben diesem schnellen und ungeordneten „Zittern“ finden in der Zelle auch langsamere Bewegungen wie das Auf- und Zuklappen von Proteinen statt. Solche Bewegungen sind wichtige Kontrollmechanismen für die Funktion von Proteinen. Ein internationales und interdisziplinäres Team unter Leitung von Forschenden der Universität Freiburg, Tübingen und Lund hat jetzt zum ersten Mal untersucht, wie diese verschiedenen Moleküldynamiken zusammenhängen.

 

„Wir wollten herausfinden, wie aus den schnellen, ständig stattfindenden Molekülbewegungen heraus die Wechsel zwischen funktionalen Zuständen resultieren,“ erklärt Prof. Dr. Thorsten Hugel, der am Institut für Physikalische Chemie der Universität Freiburg forscht und Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies - ist. „Dafür haben wir nicht nur einzelne Moleküle untersucht, was an sich schon technisch extrem anspruchsvoll ist, sondern deren Bewegungen im Bereich von Millionstel Sekunden“, sagt Hugel.

 

Für die Untersuchungen kombinierte das Team hochauflösender Mikroskopie, Neutronenstreuungsexperimente und die Computersimulation einzelner Moleküle. „Wesentlich zum Erfolg beigetragen hat die bisher einzigartige Verzahnung der unterschiedlichen Ansätze“, kommentiert Dr. Steffen Wolf vom Physikalischen Institut der Universität Freiburg die gemeinsame Arbeit. „Unsere Simulationsdaten sind zum Beispiel direkt in die mathematische Auswertung der Neutronenstreudaten eingeflossen“, sagt Wolf.

 

Gegenstand der Studie war das Protein Hsp90, das in hoher Anzahl in menschlichen Zellen vorkommt. Es gehört zu den Hitzeschock-Proteinen, die mit anderen Proteinen wechselwirken und diese in zellulären Stresssituationen stabilisieren. Generell sind sie für die Faltung, die Aktivierung und den Abbau vieler Proteine in der Zelle zuständig.

 

Die Ergebnisse zeigen, dass Hsp90 Bewegungen ausführt, die innerhalb von ungefähr 150 Nanosekunden ablaufen. Diese Bewegungen sind langsamer als das ständig stattfindende „Zittern“ und schneller als der Wechsel zwischen den verschiedenen Konformationen des Proteins. Dies könnte grundlegend sein für den Mechanismus der Wechselwirkung von Hsp90 mit anderen Proteinen. „Eine so detaillierte Charakterisierung der Dynamik eines funktionalen Proteins hat es bisher noch nicht gegeben“, fasst Hugel die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit zusammen. „Wir denken, dass wir damit eine zukunftsweisende Studie präsentieren, die zeigt, wie einzelne biophysikalische Methoden synergistisch miteinander kombiniert werden können.“

Der Text basiert auf einer Mitteilung des Exzellenzclusters CIBSS (https://www.cibss.uni-freiburg.de/news/hsp90-movement).

Originalpublikation:

Benedikt Sohmen, Christian Beck, Veronika Frank, Tilo Seydel, Ingo Hoffmann, Bianca Hermann, Mark Nüesch, Marco Grimaldo, Frank Schreiber, Steffen Wolf, Felix Roosen-Runge, Thorsten Hugel

The Onset of Molecule-Spanning Dynamics in Heat Shock Protein Hsp90

Advanced Science (2023), 2304262 (14 pages)

DOI: 10.1002/advs.202304262

 

Kontakt:

Prof. Dr. Thorsten Hugel
Institut für Physikalische Chemie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Telefon: +49 761 / 203-6192
E-Mail: thorsten.hugel@physchem.uni-freiburg.de